Keiner konnte so emotional und lebendig über seine Erlebnisse berichten wie Hans-Jürgen Rusczyk. Auf der großen Party mit viel Prominenz und dem mdr-Fernsehen zum 85. Geburtstag der DDR-Radsportlegende Täve Schur sprach nach Hansi der Landrat vom Jerichower Land Dr. Steffen Burchhardt. Des Landrats ersten Worte in seiner Festrede waren: „Die Ausführungen meines Vorredners kann ich nicht toppen!“ Ja, Hansi war ein brillanter Redner, der kein Redemanuskript brauchte. Alle seine Reden waren mitreißend, gepaart mit ans Herz gehenden Episoden. Besonders lustig wurde es, wenn er über seine Erlebnisse im Wald als Tierfilmer berichtete. „Hansi“ sprach nicht nur mit den Händen, sondern mit dem ganzen Körper, so einem echten Schauspieler gleich. Von den heimischen Tieren waren die Hirsche seine Favoriten. Die ganz großen „32 Ender“ standen im Fokus seiner sehr anschaulichen Erzählungen mit echtem LIVE-Effekt.

Hans-Jürgen Rusczyk begann 1955 im Alter von 14 Jahren in Zerbst seine erfolgreiche Laufbahn als Radrennfahrer. In nur drei Jahren katapultierte er sich zum besten Nachwuchsfahrer der DDR. Hansi war ein begnadeter Sprinter. Aber auch lange „Kanten“ wie Magdeburg-Stendal-Magdeburg (zweimaliger Gewinner) lagen ihm. Er trug zeitweise das Auswahltrikot der DDR-Nationalmannschaft. Sein emotionalstes Erfolgserlebnis war der „7. Oktober-Preis“ von Magdeburg 1958. In diesem besser als „Rund um den Dom“ bekannten Kriterium belegte er hinter dem damaligen amtierenden Radweltmeister Gustav Adolf Schur einen Podiumsplatz. Zusammen mit seinem großen Vorbild Täve Schur durfte Hansi die Ehrenrunde bestreiten. An der Rennstrecke in Magdeburg standen 40 000 Zuschauer und jubelten den Helden der Landstraße zu.

Die Tür zu einer internationalen Karriere war weit geöffnet. Hansi sollte eine Delegierung zu einem Leipziger Sportclub erhalten. In dieser Zeit verließen seine beiden Brüder die DDR. Das war zu damaligen Zeiten eine Straftat und nannte sich „illegales Verlassen der DDR“ und wurde mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet. Diejenigen, die weg waren, konnte man nicht mehr belangen. So ließen die DDR-Oberen ungerechter Weise ihre Wut an den „dagebliebenen“ Familienangehörigen aus. Meist waren das Diskriminierungen auf verschiedenen Ebenen. Hans-Jürgen Rusczyk blieb trotzdem dem Radsport treu und fuhr weiter für Aufbau Börde und später für Dynamo Magdeburg. Mit Beginn seines Studiums in Magdeburg und Erfurt hängte er 1962 sein Rad an den berühmten Nagel und wurde Berufsschullehrer.

Nach der Wiedervereinigung machte sich Hans-Jürgen Rusczyk einen Namen mit der Organisation von Traditionstreffen, die er auch filmisch dokumentierte. Als im Jahre 2009 Günter Grau und Dr. Reinhard Buchheim das Radsportportal für Mitteldeutschland gründeten, war Hansi mit ein „Mann der ersten Stunde“. Er leistete gute Beiträge über Radrennen der Region und über alle Treffen der ehemaligen Radrennfahrer. Ein besonderes Highlight seiner Arbeit war die Organisation des Radlertreffens 2011 in Pietzpuhl mit den bekannten Schauspielern Hella Müller und Rolf Mey-Dahl. Die beiden Künstler lieferten ein Programm der Extraklasse über den Radsport mit dem großen DDR-Helden Täve Schur. Rolf war ein sachkundiger Radsportexperte, der damals zusammen mit Hansi Radrennen bestritt.

Im Jahre 2022 war es für Hans-Jürgen Rusczyk eine große Freude, in die Bundes-Ehren-Gilde im Bund Deutscher Radfahrer e.V. aufgenommen zu werden. Aus seiner Erfahrung mit dem Nachlass seines filmischen Lehrmeisters Dr. Heinz Meynhardt (Verhaltensforscher, Sachbuchautor, Tierfilmer und Experte für Wildschweine), wollte er rechtzeitig sichern, dass sein Lebenswerk noch zu Lebzeiten in die richtigen Hände kommt. So übergab er zeitlich versetzt Teile seines Lebenswerkes an das Radsportarchiv von Günter Grau, an Dr. Reinhard Buchheim für „www.radsportonline.com“ und an den Leiter der Bundes-Ehren-Gilde Tom Finkes.

Hans-Jürgen Rusczyk war ein sehr geselliger Mensch, der viel für den Zusammenhalt der „Radsportfamilie“ tat. Er hatte immer neue Ideen, die er auch realisierte. So organisierte er gemeinsame Ausflüge der Radlerkollegen, und immer mit den Ehepartnern, in die Altmark und in den Harz, Kremserfahrten oder Gartenparties und lud Freunde zu sich nach Hause ein. Auch als es ihm schon gesundheitlich schlechter ging, organisierte er noch ein Radlertreffen in Burg in einem Cafe, das unweit seines Wohnsitzes lag. Jeder Teilnehmer erhielt von ihm ein individuelles Geschenk. Aus seinem Fundus hatte Hansi von allen teilnehmenden Radrennfahrern Fotos und Filmausschnitte zusammengestellt und übergeben.

Ja, so war Hansi. Er sagte oft über sich: „Ich, der kleine Hansi!“ Er war zwar körperlich etwas kleiner, aber ein überaus großartiger, großzügiger und herzlicher Sportkamerad.

Lieber Hansi, so werden wir dich in Erinnerung behalten und niemals vergessen.

Dr. Reinhard Buchheim (Leiter des Radsportportals für Mitteldeutschland) und
Günter Grau (Ehrenpräsident des Radsport-Landesverbandes von Sachsen-Anhalt)